Wildschweine hatten auch im Herbst 2024 wieder unsere Stadt heimgesucht und insbesondere Kirchmöser, Plaue, die Wilhelmsdorfer Vorstadt, den Görden und Neuendorf für sich entdeckt. Das erhöhte Vorkommen war nicht ganz ungewöhnlich, sondern jahreszeittypisch.
Bei der Unteren Jagdbehörde und in weiteren Bereichen der Stadtverwaltung mehrten sich die Nachfragen, was dagegen getan werden könne. Auch im Rahmen der „OB vor Ort“-Reihe mit Oberbürgermeister Steffen Scheller wurde das Wildschwein-Problem thematisiert, weswegen sich Steffen Scheller zusammen mit Meik Fabian von der Unteren Jagdbehörde auch vor Ort den Fragen von Betroffenen stellte, was unter anderem in wichtigen Hinweisen zur Grundstückssicherung, zur Vermeidung eigener Fehler beispielsweise beim Kompostieren und zur Vergrämung der Tiere mündete. Betroffene forderten ihrerseits, ein Zugehen der Jagdbehörde auf die Jagdgenossenschaften, die wiederum die Jäger stärker in die Pflicht nehmen sollten.
Aktuell am Beginn des meteorologischen Frühjahrs scheint die große Wildschweinplage zwar in Teilen vorbei zu sein, was allerdings auch jahreszeittypisch ist. Dennoch trafen sich Oberbürgermeister Steffen Scheller und Meik Fabian stellvertretend mit Lutz Laskowsky vom Bürgerverein Neuendorf und mit dem Jäger Detlef Gericke, der auch die Gegend um Neuendorf bejagt, um über das zu Ende gehende Jagdjahr (01.04. – 31.03.), über Erfahrungen und Erkenntnisse zu sprechen.
Meik Fabian machte sogleich deutlich:
„Die Jagd ist nicht mehr so präsent, weil sie nicht mehr sichtbar ist, aber sie findet statt.“
Detlef Gericke ergänzte:
„Es gab und gibt viel zu tun, doch sieht und hört man uns tatsächlich selten – wegen der morgendlichen Zeiten und der Schalldämpfer. Jagd ist keinesfalls nur ein Hobby, Jagd macht viel Arbeit und Jagd bedeutet Verantwortung.“
Zudem sei die Jagd eine kostspielige ehrenamtliche Arbeit, die der Erlös für das Wildfleisch kaum mehr aufwiegt.
Viel entscheidender ist laut dem gestandenen Jäger aber die Frage,
„ob es möglich ist, einen kontrollierten Schuss abzugeben, ohne jemanden zu gefährden.“
Nicht überall kann und darf gejagt werden
Dazu kommt: Nicht überall kann und darf gejagt werden. Es gibt Einschränkungen aus Naturschutzrecht, beispielsweise sind Feuchtgebiete vom 1. März bis 30. Juni nicht zu befahren. Dann eine 100-Kilo-Sau abzutransportieren, ist kaum möglich. Auch gibt es Tabuzonen, was die Begehung und Bejagung betrifft. Sogenannte Kirrzungen, also jagdliche Einrichtungen zum Anlocken des Wildes, sind nur außerhalb von geschützten Biotopen möglich. Außerdem dürfen nur transportable Ansitzeinrichtungen eingesetzt werden.
Unter all diesen Voraussetzungen ist es aber vor allem auch lebenswichtig, auf kontrollierte Kugelfänge für daneben- oder durchgehende Schüsse und Querschläger zu achten. Darum seien weder Drückjagden noch Einzelabschüsse überall möglich. So ist die Jagd auch bei Neuendorf eingeschränkt, da die sichere Entfernung zu den bebauten Grundstücken, zum Schiffsverkehr auf der Havel oder zu den Rindern des Wiesenpächters nicht immer gegeben ist.
Dennoch habe man im aktuellen Jagdjahr bereits mehr als 50 Sauen im Bereich zwischen Ziesarer Landstraße und Neuendorf beiderseits der Havel erlegen können.
Während im Sommer verstärkt gefährdete, von Landwirten bewirtschaftete Flächen bejagt werden, um die Schäden bei Raps, Weizen und Mais gering zu halten, können und müssen die Jäger im Herbst und Frühjahr auch weiträumiger wirken.
Ein Komposthaufen ist für Wildschweine wie ein gedeckter Frühstückstisch
Die Menschen tragen häufig auch eine Mitschuld am Näherkommen zur Zivilisation:
„Viele Leute schmeißen ihre Abfälle und Grünschnitt über den Zaun, wobei ein Komposthaufen auf Wildschweine wie ein gedeckter Frühstückstisch wirkt. Siehe Gemeinschaftskomposthaufen an der Wendeschleife in Neuendorf,“
beklagt Lutz Laskowsky. Meik Fabian, er ist selbst Jäger, ergänzt:
„Wenn ein Komposthaufen relativ frei zugänglich ist, kommen die Wildschweine sogar in die Gärten.“
Oberbürgermeister Steffen Scheller bilanziert nach einer informativen Stunde:
„Ich denke, die annähernd 200 Jäger im Stadtgebiet kommen ihrer Verantwortung intensiv nach. Es wäre unfair, der Jägerschaft dafür die Schuld zu geben, dass Wildschweine oder teilweise auch der Wolf der Zivilisation zeitweise sehr nah kommen.“
Meik Fabian weiß:
„Der Wolf als Spitzenprädator trägt wiederum dazu bei, dass sich anderes Wild zurückzieht. Das Rehwild hat er bereits zurückgedrängt und die Wildschweine sind schreckhafter geworden. Jagd ist ein sehr komplexes Thema!
Quelle: © Stadt Brandenburg an der Havel / Th. Messerschmidt