Die Mitglieder des hiesigen Arbeitskreises „Keine Gewalt gegen Frauen und Kinder“ unter der kommissarischen Leitung der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Brandenburg an der Havel, Jeannette Horn, luden zur Fachtagung „Reproduktive Rechte und Reproduktive Gewalt“ in den Hörsaal der Medizinischen Hochschule Brandenburg „Theodor Fontane“ (MHB) ein. Die Veranstaltung, mit rund 40 Teilnehmenden, bot eine Plattform für Fachleute aus Wissenschaft, Politik und Gesundheitswesen, um die aktuelle Lage und Herausforderungen im Bereich der Schwangerschaftsabbrüche zu beleuchten.
Der Eröffnung durch die Gleichstellungsbeauftragte folgten Grußworte von Oberbürgermeister Steffen Scheller, der Landesgleichstellungsbeauftragten Manuela Dörnenburg und der Klinikdirektorin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Uniklinikums Brandenburg an der Havel, Prof. Dr. Svetlana Tchaikovski.
Oberbürgermeister Scheller betonte die politische Dringlichkeit des Themas:
„Die Debatte um eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs und die Bestrebungen, das Abtreibungsrecht aus dem Strafgesetzbuch herauszulösen, verdeutlichen, dass wir ein neues Verständnis von reproduktiver Selbstbestimmung in Deutschland brauchen.“
Ein zentraler Fokus der Fachtagung lag auf Fragen wie: Welche Maßnahmen sind notwendig, um reproduktive Rechte umfassend zu schützen? Wie kann reproduktive Gewalt bekämpft werden? Wie wichtig ist der Zugang zu umfassender gesundheitlicher Aufklärung und Versorgung?
Jeannette Horn unterstrich die Bedeutung des Austauschs:
„In einer Zeit, in der das Bewusstsein für individuelle Rechte wächst, ist es unser Anliegen, die Themen Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch in ihrer ganzen Komplexität zu diskutieren. Es ist wichtig, dass Betroffene nicht nur medizinisch, sondern auch gesellschaftlich und emotional unterstützt werden.“
Die Diskussion machte deutlich, dass neue gesetzliche Regelungen notwendig sind, um den Zugang zu Beratung und medizinischer Versorgung zu verbessern. Der am 13. November 2024 in den Bundestag eingebrachte Gesetzesentwurf zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes stellt einen bedeutenden Schritt dar. Ziel ist es, den Schutz von Frauen zu stärken und ihnen eine fundierte, selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen.
Sandra Schramm, Geschäftsführerin des Landesverbandes pro familia Brandenburg e. V., betonte, dass die Stadt Brandenburg an der Havel mit einem breiten Beratungsangebot gut aufgestellt sei.
Dennoch ergaben sich Herausforderungen, die nach den Fachvorträgen offenkundig wurden:
- Frauen, die keinen Zugang zu wohnortnahen Kliniken haben, müssen nach der Klinikreform teils über 100 Kilometer für medizinische Eingriffe zurücklegen.
- Viele Frauen greifen aufgrund der Komplexität der gesetzlichen Lage auf Abtreibungspillen zurück, die sie online bestellen, was gesundheitliche Risiken birgt.
- Ein Drittel der Schwangerschaftsabbrüche in Polen wird von deutschen Frauen durchgeführt, da die Hürden hierzulande hoch sind.
Die geplante Gesundheitsreform könnte die Lage weiter verschärfen. Viele Geburtskliniken drohen zu schließen, da sie die wirtschaftliche Mindestgrenze von 800 Geburten pro Jahr nicht erreichen. Dies würde den Zugang zu medizinischer Versorgung noch weiter erschweren.
Neben den strukturellen Herausforderungen beleuchtete die Tagung auch die sozialen Aspekte. Oft stehen Frauen unter großem Druck durch Konflikte in Partnerschaften, finanzielle Sorgen oder gesundheitliche Probleme.
Die Fachtagung zeigte, wie vielschichtig das Thema Schwangerschaftsabbrüche ist und wie wichtig es ist, einen Dialog zwischen Fachleuten, Betroffenen und der Gesellschaft zu schaffen. Die Teilnehmenden appellierten an Politik und Gesellschaft, reproduktive Rechte und medizinische Versorgung stärker zu schützen und zu fördern.
Horn resümierte:
„Wir als Arbeitskreis haben heute einen wichtigen Schritt getan, um die Diskussion über Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbrüche aus der Tabuzone zu holen. Frauen verdienen Unterstützung, Respekt und die Möglichkeit, selbstbestimmt über ihren Körper und ihre Zukunft zu entscheiden.
Quelle: © Stadt Brandenburg an der Havel / Gabriele Bischoff